All politics is local! Die Wahlkreis-Vorhersage von Zweitstimme.org

Bei Bundestagswahlen haben Wähler bekanntlich zwei Stimmen. Bis jetzt war bei zweitstimme.org der Name Programm - wir haben uns vor allem Prognosen für die Verteilung der Zweitstimmen im Bund gekümmert.

Seit heute haben wir unser Portfolio erweitert: zweitstimme.org kann jetzt auch Erstimmenergebnisse vorhersagen. Die Erststimme bestimmt immerhin in jedem der 299 Wahlkreise, welche Direktkandidatinnen und -kandidaten Personen unabhängig von den jeweiligen Listen der Parteien in den Bundestag kommen.

Für die proportionale Sitzverteilung im Bundestag sind Wahlkreisvorhersagen seit der Wahlrechtsreform kaum mehr von Belang. Denn selbst wenn es zu Überhangmandaten kommt, werden diese nach dem neuen Wahlrecht ausgeglichen und verändern daher nicht mehr die Verteilung der Sitze, wie sie auf Basis der Zweitstimmen zu erwarten ist. Wir erwarten gemäß unseren Wahlkreisprognosen, dass der Bundestag sich dadurch vergrößern wird.

Dennoch ist die Wahl einer Direktkandidatin oder eines Direktkandidaten nicht ohne Grund in unserem Wahlrecht vorgesehen. Für viele Wählerinnen und Wähler ist es ebenso wichtig, zu bestimmen, wer sich für ihre Belange im eigenen Wahlkreis einsetzt. Schließlich wusste schon Tip O'Neill: All politics is local! Und nicht zuletzt kann es für die Kandidatinnen und Kandidaten spannend sein, einen neuen Blick auf die eigenen Chancen, gewählt zu werden, zu erhalten.

Wie kommen wir zu unseren Wahlkreis-Vorhersagen?

Unsere Wahlkreisprognose basiert auf mehreren Annahmen, die uns von unseren simulierten Zweitstimmenergebnissen zu Wahlkreisgewinnern bringen.

Zunächst berechnen wir den bundesweiten proportionalen „Swing“ (also die Veränderung des Ergebnisses für eine Partei zwischen zwei Wahlen) zwischen dem Wahlergebnis von 2013 und jedem unserer Simulationsergebnisse. Die CDU/CSU hatte 2013 zum Beispiel 41,5% der Zweitstimmen für sich gewonnen. Hat die CDU/CSU in einem Simulationsergebnis unseres Modells nun 35%, dann sind das 6,5 Prozentpunkte weniger als 2013, oder proportional -15,7% (man beachte den Unterschied zwischen Prozent und Prozentpunkten).

Dann übertragen wir diesen proportionalen Swing auf die Wahlkreisergebnisse (umgerechnet auf die Wahlkreise für 2017) von 2013 und erhalten so simulierte Verteilungen von Zweitstimmen in jedem der 299 Wahlkreise. Hatte die CDU/CSU in einem Wahlkreis 2013 52% der Zweitstimmen, so sind es mit der Annahme des proportionalen Swings nun noch 43,8%. Hatte die CDU/CSU in einem anderen Wahlkreis 2013 nur 35% der Zweitstimmen, so sind es nun noch 29,5%. Diesen Swing berechnen wir für alle Parteien, alle Wahlkreise und alle Simulationsdurchläufe.

Um von den Zweitstimmen im Wahlkreis auf Erststimmen zu kommen, benötigen wir eine weitere Annahme: Wie verhalten sich Erst- und Zweitstimmen im Wahlkreis zueinander? Dafür nehmen wir zunächst an, dass das Verhältnis von Erst- zu Zweitstimmen im Wahlkreis genauso sein wird wie 2013. Dieses Verhältnis tauschen wir in Wahlkreisen, in denen der letzte Gewinner nicht wieder antritt, durch einen durchschnittlichen Kandidaten der gleichen Partei im selben Bundesland aus. Genauso gehen wir bei populären, nicht wieder antretenden nicht Gewinnern vor. Damit bekommen wir nun Simulationsverteilungen für jeden Kandidaten in jedem Wahlkreis. Für jede Simulation bekommen wir dann einen Wahlkreisgewinner. Um daraus Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, addieren wir die Wahlkreisgewinner der Parteien über alle Simulationen und teilen die Summe durch die Anzahl unserer Simulationen.

Dies ist auch der Unterschied zu anderen Wahlkreisprognosen. Wir können etwas dazu sagen, wie (un)sicher unsere Vorhersagen der Wahlkreisgewinner sind. Das funktioniert, weil wir, wie oben beschrieben, für jeden der in einem Wahlkreis kandidierenden Personen eine Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der sie ihren Wahlkreis gewinnen können.

Unsere Prognosen und eine Zweitmeinung

Unsere Wahlkreisprognosen haben wir auf einer eigenen Seite veröffentlicht: Hier geht es zu den Ergebnissen. Aktuell schätzen wir 44 Wahlkreise als offen ein - auf diese sollte man am Wahlabend also besonders schauen. Darüber hinaus haben wir unsere Einschätzungen in einer Karte und einer detaillierten Tabelle für jeden Wahlkreis aufbereitet. Wir freuen uns über Ihr Feedback, wenn unsere Einschätzung völlig überraschend ist und mit Ihrer Einschätzung überhaupt nicht zusammen passt. Oder wollen Sie sich noch eine Zweitmeinung einholen? Dann schauen Sie doch mal bei unseren Kollegen von erststimme2017.de vorbei! Die dortigen Wahlkreisprognosen bauen ebenfalls auf den Vorhersagen des zweitstimme.org-Modells auf und bieten darüber hinaus etliche hilfreiche Grafiken, um sich die Wahlkreise zu erschließen.